Ullrich-Turner-Syndrom besser verstehen
Vor zwölf Jahren wuchs Leben in mir. Auf die Freude folgte eine Gefühlsachterbahnfahrt. Die pränatale Diagnose lautete: Monosomie X. Die Humangenetikerin überreichte mir in dem „Aufklärungsgespräch“ eine „informative“ Broschüre von einem Pharmaunternehmen und Taschentücher über den Tisch. Was nur noch mehr Fragen, Gefühle und Ungewissheiten hervorrief. Zum Verstehen und Annehmen, um das Ullrich-Turner-Syndrom besser verstehen zu können, um einen individuellen Umgang mit der Diagnose zu finden und Entscheidungen zu treffen, braucht es mehr. Zum Beispiel folgendes Buch…
Leben enthält Spuren von unbeauftragter Werbung.
Von Hoffnung, Angst, Schmerz und Glück
Nach einem Vorwort und einleitenden Bemerkungen der Hauptautorin folgt eine Kurzbeschreibung der Diagnose. Schon an dieser Stelle wurde mir warm ums Herz. Es wird beschrieben, was das Ullrich-Turner-Syndrom NICHT ist – „Das UTS ist keine Diagnose, bei der sich gut vorhersagen lassen würde, in welchem Maße eine bestimmte Person von welchen Problematiken betroffen sein könnte.“ -, bevor Informationen geteilt und häufige Fragen beantwortet werden. Am Ende folgen ein Glossar, das Quellenverzeichnis, Verweise zum Weiterinformieren und bestärkende abschließende Worte sowie Dank.
Dazwischen äußern sich Betroffene und Eltern, medizinisches und ärztliches Fachpersonal und immer wieder sorgt Annelie Neubauer, die Verantwortlich für dieses Gruppenbuchprojekt ist, für Denkanstöße. Es werden Worte „2.1. An unsere Mütter“ gerichtet und zur „2.2. Unterstützung in der Krise“ gefunden. Mit „3. Geschichten und Persönlichkeiten“, „4. Pränataldiagnostik aus Sicht von Betroffenen“, „5. Erfahrungen von Müttern“ und „6. Schmetterlingskinder, Sternenkinder“ sind die folgenden offenen, persönlichen und aufklärenden Berichte und Beiträge unterteilt bzw. überschrieben. 268 Seiten umfasst das gebundene Buch, welches von einem kunstvoll-anmutigen Cover gekrönt wird. Wie der Titel es vermuten lässt, steckt in dem facettenreichen und umfangreichen Werk viel Gefühl. Dazu zeiht sich das Anliegen dazu beizutragen, dass das Ullrich-Turner-Syndrom besser verstanden und die Diagnose besser eingeordnet werden kann, als roter, informativer Faden durch.
Pränataldiagnostik auf das Ullrich-Turner-Syndrom
Meine wundervolle Tochter erblickte das Licht der Welt. Keine Selbstverständlichkeit. Wie mir die Lektüre wieder bewusst machte. Und ich würde sie mir nicht und niemals anders wünschen. Darin bestärkten mich die Beiträge. Es ist ein Balanceakt die Monosomie X als EINEN Teil meiner Tochter weder zu problematisieren noch zu bagatellisieren, sondern einfach einen guten Umgang damit zu pflegen und bestimmte Dinge (bzw. Termine) im Blick zu haben. Und ich würde meinen, dass alle Beitragenden ebenfalls balancierten. Zwischen Aufklären wollen, was auch Wissen vermitteln bedeutet, und dem Zeigen von Menschlichkeit, dass Lebenswert nicht ausschließlich vom Chromosomensatz definiert wird. Und sie haben es geschafft eine Bandbreite – ohne Anspruch auf Vollständigkeit – abzubilden. Gefühle und Gedanken zu teilen und zu bündeln. Sogar lyrische Worte und einzelne Bilder lassen sich entdecken. Ich habe in Etappen über längere Zeit gelesen. Könnte mir jedoch vorstellen, dass ich es als Schwangere wesentlich zügiger durch gehabt hätte. Und anschließend hätte ich andere Fragen gestellt. Ich hätte das Ullrich-Turner-Syndrom besser verstanden bzw. einordnen können. Zumal ethische und philosophische Themen tangiert werden. Welches Leben ist lebenswert? Was macht es lebenswert?
„Von Hoffnung, Angst, Schmerz und Glück – Pränataldiagnostik auf das Ullrich-Turner-Syndrom“ erschien bei der Edition Winterwork (wie mein Buch). Es ist so wichtig und wertvoll, dass es mehr als Lehrbucheinträge und die Symptomlisten im Netz zu finden gibt. Wundervoll, was da entstanden ist. Lesenswert. Für alle.
Eure Anne
PS: Der Februar ist „Turner Syndrome Awareness Month“ und endet mit dem „Rare Disease Day“ (dem Tag der Seltenen Erkrankungen). Weitere Texte von Annelie gibt es HIER, HIER und HIER zu lesen.
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Anne
Liebe Barbara,
tatsächlich sind es schon fast 12 Jahre. Und ja, da war ich noch schwanger. Schön, dass wir uns immer noch lesen.
Und ich stimme dir zu… Ganzheitlichkeit, verschiedene Perspektiven und auch der Fokus auf einzelne Aspekte/Herausforderungen im Zusammenspiel ist wichtig.
In Bezug auf die Pränataldiagnostik denke ich mittlerweile, da die schwangere Person und nicht das Ungeborene an sich ausschlaggebend ist (in Bezug auf die Paragrafen), denke ich im Kleinen ist Aufklärung entscheidend und im Großen sollte die Gesellschaft einfach inklusiver werden (ganz platt formuliert).
Aufgrund meiner persönlichen Erfahrungen in den letzten fünf Jahren finde ich, dass wir das Wort „lebenswert“ überdenken können und sollten. Dass es befreit werden kann von der Definition, die unsere Leistungsgesellschaft prägte. Und ich finde die Frage, was mein Leben lebenswert macht, wichtig.
Vielen Dank für deine Impulse.
Liebe Grüße
Anne
Anne
Liebe Bettina,
vielen Dank für deine Worte.
Ich kann mir gut vorstellen, dass der Entstehungsprozess Herausforderungen mit sich brachte. Genauso die Wertschätzung, die sich auch herauslesen lässt. Und ich feiere Annelie sehr für ihre Mühen und mag ihre Art zu schreiben und zu denken.
Beste Wünsche für dich und liebe Grüße
Anne
Barbara Keller
Meine liebe Anne,
wie schnell die Zeit verfliegt, sind tatsächlich schon elf Jahre vergangen, seitdem wir uns bei einem Gesamttreffen kennengelernt haben, die Tochter war noch gar nicht geboren!? Unglaublich!
Nun zu Deiner Besprechung und Rezension unseres Gemeinschaftswerkes aus dem
Netz!
Herzlichen Dank für Deine wohlwollenden und wohltuenden Worte!
Du kennst ja meine Haltung in dieser Angelegenheit, denke ich!? Nach so langer Zeit!!
Was ich vor allem nochmals im Fokus sehen wollte, ist, dass man das TS unter unterschiedlichen Aspekten aber auch als Ganzes betrachten sollte, da man sonst nur eine einseitige Sicht auf die Dinge bekommt, leider!! Das bedeutet für mich auch, dass man sich weder seiner Emotionen, noch Scham oder Tränen und Trauer verschließen sollte! Aber natürlich auch die wissenschaftlichen Fakten sehen muss!!
Zur Sache mit der Pränataldianostik würde ich sagen, sind tatsächlich noch viele große, dicke Bretter zu Bohren!! Und ohne wenn und aber: ich empfinde mein Leben durchaus als lebenswert, mag die Vokabel auch gar nicht schreiben ✍️!
Ich lebe gerne und bin gerne da!!
Grüssle, Barbara
Bettina von Hanffstengel
Liebe Anne,
mir wird es ganz warm ums Herz bei deiner ausführlichen Besprechung des Buches!
Ich bin Teil dieser Gruppe, auch wenn es keinen Beitrag von mir gibt. Es war ein langer, teilweise schwieriger, und bei allen Meinungsverschiedenheiten, ein von gegenseitiger Wertschätzung getragener Prozess.
Annelie Neubauer hat nicht nur als Autorin, sondern auch als Gruppenleiterin richtig gute Arbeit geleistet!
Liebe Grüße von Bettina