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TW: Sterben, Tod und Trauer

TW: Sterben, Tod und Trauer

Menschen sterben. Manche bevor ihr Leben richtig begann. Andere nach vielen gelebten Jahren. Manchmal unerwartet überraschend. Ein anderes Mal nach einer Krankheitsphase. Wer zurückbleibt hadert. Bedrückt, weil Dazugehörige fehlen. Wütend, weil die Umstände keinen Sinn ergeben. Traurig, weil eine Lücke entsteht. Oder ganz anders. Vielleicht ist da auch gar kein Gefühl. Aus Erschöpfung. Als Schutzmechanismus. Und dann wäre da noch die Trauer. Mit ihren Wellen. Ohne Allgemeingültigkeit, weil die Quelle so individuell ist. Wie Menschen es sind oder waren. Sterben, Tod und Trauer gehören zusammen und zum Leben dazu. Doch es fällt schwer darüber zu reden und es ist schwer damit zu leben. Und nun?

Persönliche Erfahrungen mit dem Sterben, Tod und Trauer

Mit dem Tod meiner Uroma in Kindheitstagen verbinde ich vermissen. Von ihrem Sterbeprozess habe ich nicht viel mitbekommen. Sie starb und fehlte. Ich vermisste ihre Zugewandtheit. Ihre Worte. Ihr Sein. Es veränderte die Menschen um mich. Ohne das ich hätte genau sagen können, was es war. Um sie, um das, für das sie stand, um das, was ihr Tod mit sich nahm, trauerte ich. Die Familienmitglieder kamen zur Beerdigung und fuhren wieder. Dann wurde „über das Thema“ ein Mantel des Schweigens gelegt. Dabei ist es bedeutend mit Kindern über das Sterben und den Tod zu sprechen sowie Trauer zu begleiten (so schwer es auch fallen mag).

Meine Oma stellt sich vor, dass die Toten auf Wolken sitzen und uns beobachten. Für sie ist die Vorstellung tröstlich, dass all ihre Lieben beisammen sind und über uns wachen. Schutzengel. Nur eben der persönlichen Art. Ihre Mutter, meine Mama und ihr Mann werden sich gefunden haben. Sie kann hoch zu den Wolken sehen und sich ihnen nah fühlen. Welche Vorstellung vom Sein nach dem Tod tröstlich ist, hängt davon ab, was wir glauben oder glauben wollen. Ich denke, dass Energie nicht verschwinden kann und sich wandelt. Die Essenz des Seins, die Seele, das, was einen Menschen ausmachte, wird zu einer Energie, die ins Universum (zurück)kehrt. Überall und nirgends. Vielleicht ist es das, was für Menschen das Sterben, den Tod und die Trauer so unbehaglich macht… die Ungewissheit. Was wird bleiben? Wie wird es sein?

Mit dem Sterben meiner Mama verbinde ich Angst, Hilflosigkeit, Ausharren, Aushalten, Rennerei, Zugfahrten, Mohnblumen, die vorbeizogen, Milchreis, unausgesprochene Worte, alten Schmerz, alte Wunden, Wut, Unfähigkeit und Unzulänglichkeit. Über einen langen Zeitraum. Gut drei Jahre baute sich das Unwetter auf. Breitete sich Schwärze aus. Nährte Monster, die sowieso schon da waren. Schuf neue. Die Uhr tickte. Bis sie still stand. Und ich mitten im Sturm. Wie ein Roboter. In diese Trauer mischte sich so viel mehr. Ich zersprang. Unter dem Druck. Zerrissen. Zusammenreißend.

Was kommt danach?

Es hat mich krank gemacht. Das Alte und das Neue. Das Sterben, Tod und Trauer. Das Weitermachen. Unterdrückte Gefühle. Unausgesprochene Gedanken. Gelernte Muster. Das Funktionieren. Erschöpft. Und es wird nicht aufhören. Es wird immer ein Kampf sein. Jeden Tag. Nicht einfach. Manches Mal vielleichter. Für kostbare Momente vertreibt Licht die Schatten in die Seelenecken. Bisweilen sogar über längere Zeit. Doch die Monster und Dämonen verharren. Warten auf ihre Chance. Schwammen mit den Wellen. Hängen sich heute an neue Unwetter und Stürme. An Stress. An jegliches Gefühl.

Früher versteckten sich die Monster unter dem Bett. Heute lauern sie in den dunklen Seelenecken. Warten auf ihre Chance. Umschließen das Herz. Bis es rast. Schnüren die Luft ab. Bis sich alles verkrampft. Vergiften das Sein. Schieben Bilder ein. Flüstern das Gestern ins Jetzt hinein. Aktivieren alte Programme. Wird immer so sein. Sie verflüchtigen sich. Als wäre alles möglich. Tun so, als wäre nix gewesen. Kehren zurück. Als wären sie nie weg gewesen. Keine gute Fee wird kommen. Kein Zauberspruch helfen. Die Dämonen siegen. Immerfort. Kein Happy End. Zusammenreißen. Gesplittertes Sein. Zusammenhalten. Eingebrannte Erinnerung. Bleibt. Die Zukunft mag in den Sternen stehen. Doch die Vergangenheit steckt in den Zellen. Darum ist kein leichter Moment selbstverständlich. Auch nicht nach 5 Jahren. Auch nicht durch das Dazulernen. Die Zeit. Verstehen. Akzeptieren. Veränderung. Vielleichter durch das Wahrnehmen, Benennen und Zulassen. Erträglicher durch neue Erfahrungen. Besser mit Lieblingsmenschen.

Vielleicht wird es vielleichter

Menschen gehen unterschiedlich mit dem Sterben, Tod und Trauer um. Sie erleben die Themen auf ihre individuelle Weise. Vermeiden. Schweigen. Manche erleben eine Art „Weckruf“, wenden sich bewusst dem Leben und Aktivitäten, die sie Lebendigkeit spüren lassen, zu. In Anderen stirbt ein Teil mit. Melancholie scheint sie dann zu umgeben. Es wirkt als gäbe es Regeln und Gesetzmäßigkeiten. Wie das Trauerjahr. Dann ist auch gut. Viele Erwachsene verkrampfen, wenn Kinder sich mit dem Tod auseinandersetzen. Ich verkrampfe, wenn es um „tragische Schicksale“, Berichterstattungen oder „sensationslüsterne Nachrichten“ geht. Oder an harten Tagen schon bei ausgedachten Horrorgeschichten. Es fühlt sich falsch an, fast verwerflich, wenn ich schreibe, welche Gedanken mir so durch den Kopf gehen. Wenn ich versuche zu fassen, was in mir vorgeht. Macht man nicht. Zeigt man nicht. Sowas verschließt man im Inneren. Lächelnd aushalten. Mag unbedeutend sein. Unnötig gar. Könnte mich schließlich einfach entscheiden, dass es anders ist. An meiner Einstellung arbeiten. Schweigen. Weil es unbedeutend ist, was ich schreibe. Beschämend. So sehr ich auch versuche „einen Haken zu setzen“, mit mir auszumachen, weiterzumachen, … Meine Splitter machen sich bemerkbar. Das Dunkle ist da. Spüre es. Höre es in meinem Ohr. Sehe es. Wenn Träume veralpt werden. Und so teile ich meine Worte doch. Fast schon rebellisch. Kruden Gedanken zum Trotz. Möglicherweise hilft es. Vielleicht wird es vielleichter.

Eure Anne


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