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Kontrolle kontrollieren

Kontrolle kontrollieren

Tagtäglich erreichen uns Nachrichten. Tagtäglich agieren wir, mit dem was ist und sein wird oder könnte. Händeln unsere Gefühle, Gedanken, Aufgaben und unser Leben. Aktion. Reaktion. Input und Output. Kontrolle spielt dabei eine große Rolle. Macht es da nicht Sinn, diese einmal zu kontrollieren? Meine Gedanken und Annelies dazu:

eine Gedankenkette zur Kontrolle

Wir wissen nicht, was sein wird. Wir können träumen und uns die Zukunft ausmalen. Pläne schmieden, Listen zum Abhacken verfassen, Entscheidungen für die Zukunft treffen. Hoffen. Wir können prüfen und überwachen. Erleichtert aufatmen, wenn unsere Rechnung aufgegangen ist. Wir können versuchen unser Leben in eine Bahn zu lenken, die uns als passend erscheint. Können daran glauben, dass es gut werden wird. Doch wir werden nie eine Garantie haben. Nie die komplette Kontrolle.

Es wird immer Variablen oder Begebenheiten geben, die uns aus der Spur katapultieren. Menschen werden sich anders verhalten, als wir es erwartet haben. Ereignisse werden Träume platzen lassen. Von einem auf den anderen Moment werden wir immer wieder feststellen, dass es anders gekommen ist, als gedacht. Trotzdem tüffteln wir tagtäglich an einem Konstrukt, das uns ein Gefühl von Sicherheit vermittelt. Wollen Gewissheit. Gar Macht. Mühen uns ab, vorbereitet zu sein. Das ist menschlich. Jeder Mensch wird auf seine Weise, in seinem Maße, auf seine Art und je nach Erfahrung sowie Lebenslage kontrollieren wollen. Um die eigene Zeitachse zu gestalten. Manche mit mehr Angst und Vorsicht. Manche mit mehr Zuversicht. Doch alle mit Unwissenheit, weil nicht alles in unserer Hand liegt, weil wir nicht alles im Griff haben (können). Was genau wollen wir eigentlich kontrollieren und beeinflussen? Was macht das mit uns?

Was zum Nachdenken: Kontrollverlust

Nehmen wir einen Perspektivwechsel vor. Mit Annelie.

Ihr wollt wissen, wie es sich anfühlt? Wie es ist, die Kontrolle zu verlieren; sich vollkommen machtlos zu fühlen? Dann stellt euch lange, steril weiße Flure vor. In der Luft der unverkennbar beißende Desinfektionsmittelgeruch. Stellt euch vor, wie Kanüle über Kanüle von dem tiefroten Blut gefüllt wird, das aus euren Venen fließt. Stellt euch verpixelte schwarze Ultraschallbilder vor, über die angespannte Gesichter sich schweigend beugen. Und die nichtssagenden Zacken eines Elektrokardiogramms, die tanzen im schwindelerregenden Takt eines Herzens, das noch schlägt, mit all seiner Kraft. Schlägt für das Leben. Stellt euch Laborwerte vor, in winziger schwarzer Schrift auf gelbes Papier gedruckt. Nach allem, was du weißt, könnte eine dieser Zahlen deine Welt, wie du sie kanntest, vollkommen auf den Kopf stellen. Doch, soviel sie dir gerade sagen, könnten die kryptischen Werte genauso gut die Lottozahlen der nächsten Woche sein. Von einem Moment auf den nächsten kannst du dein Leben nicht mehr planen. Nicht mehr im gleichen Maße frei darüber entscheiden. Doch mehr noch. Ein Teil deines Lebens entzieht sich plötzlich fast vollkommen deinem Verständnis. Du kannst diese große Unbekannte nicht einschätzen, die dich ab jetzt unwiderruflich auf deinem Weg begleiten wird.

wie es sich anfühlt

Kontrollverlust ist hart, und doppelt und dreifach hart für Menschen, die immer und um jeden Preis die Zügel fest in den Händen behalten haben. Man wollte „doch nur sichergehen“, „auf alles vorbereitet sein“, „besser Bescheid wissen“. Was bleibt? Nichts als ein Scherbenhaufen unbeantworteter Fragen und enttäuschter Hoffnung.   

Ja, mit der Zeit wirst du lernen zu kämpfen, um deinen Selbstwert, deine Bedürfnisse, gegen die Angst, für die Idee einer Illusion von Kontrolle. Du wirst beginnen zu verstehen, soweit Verständnis möglich ist. Doch es kommt der Punkt, an dem alles Wissen dieser Welt kein Schutzschild mehr ist. Und eine der wichtigsten Lehren dieses Lebens hat sich auf immer eingebrannt.

 Kontrolle ist eine schöne, flüchtige Illusion. Um Kontrolle zu kämpfen, und sich an sie zu klammern, ist verhältnismäßig leicht. Schwer ist Geduld. Akzeptanz. Schwer ist „loslassen lernen“, ohne Bitterkeit, und Leben für das Hier und Jetzt.“  

Ist Kontrolle wirklich eine Illusion?

Sicherheit erfahren und die Kontrolle haben zu wollen, ist als existentielles Bedürfnis tief in uns verankert. Darum analysieren wir Sachlagen, werten Erfahrungen aus und ziehen Schlüsse daraus. Wir organisieren, managen und wollen den Überblick bewahren und selbstwirksam sein. Wollen im Griff haben und kontrollieren. Uns. Unsere Gefühle. Unseren Körper. Unser Leben. Wir wollen den Lauf der Dinge, das vorherrschende System und unser Gegenüber beeinflussen. Sonst würden wir uns ständig hilflos, ausgeliefert und schutzlos fühlen. Kein gutes Gefühl. Also handeln wir. Oder hadern. Oder beides. Die unbekannte Variable, den Zufall, das Schicksal, das Glück, das Dunkel, das Unbekannte und Unerwartete, die Ungewissheit, mal weniger, mal mehr beängstigend, mal mehr, mal weniger beeinflussend immer dabei. So ist die Vorstellung davon, dass wir die vollständige Kontrolle haben, eine Illusion ist.

Unterm Strich bedeutet das: Wir können einzig unsere Bemühungen, unsere Aktionen, Reaktionen, unsere Worte und unseren Fokus kontrollieren. Unser Bestes geben. Okay damit sein, dass nicht alles in unserer Macht liegt und wir „es“ versuchen oder versucht haben. Wir können unser Verständnis von Kontrolle kontrollieren. Vielleicht unsere Vorstellungen und Erwartungen neu ausloten und anpassen. Uns auf Zuversicht einlassen. Versuchen anzunehmen was ist und kommen wir. Sein.

Was denkst du dazu? Welche Erfahrungen hast du dazu?

Eure Anne – mit Dankbarkeit für Annelies Impuls


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