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Das Unwohlsein der modernen Mutter – Gedanken zum Buch

Das Unwohlsein der modernen Mutter – Gedanken zum Buch

In Etappen habe ich das Buch „Das Unwohlsein der modernen Mutter“ von Mareice Kaiser, erschienen bei Rowohlt, gelesen. In Etappen ist dieser Text zum allgemeinen und meinem Unwohlsein entstanden.

Eine Mutter ist weiblich, gebärend, feinfühlig, fürsorglich, aufopfernd und erwerbstätig. Dabei ist sie gutgelaunt, gut organisiert und gutaussehend.

Obwohl wir in einer pluralistischen Gesellschaft leben und biologische sowie soziale Mutterschaft gelebt wird, dominiert diese völlig überfrachtete, von Gesetzen unterstützte und defacto ausklammernde Vorstellung davon, wer eine Mutter ist und wie sie zu sein hat.

Warum ist das so? Was bedeutet das für Mütter bzw. Menschen, die Kinder versorgen und sie beim Aufwachen begleiten? Welche Auswirkungen hat das? Was muss sich ändern?

Mareice Kaiser zeigt auf, dass Mutterschaft ein sozialer Platzanweiser ist und eben politisch.

Sie verbindet den Blick in die Vergangenheit und auf die aktuellen Rahmenbedingungen, Studienergebnisse und das persönliche Erleben von sich und anderen Müttern.

Sie fordert und fördert (hoffentlich) einen gesellschaftspolitischen Diskurs über jene Fragen. Sie klagt an und appelliert. Nicht nur, aber aktuell mit ihrem Buch „Das Unwohlsein der modernen Mutter“.

Bereits das Essay mit selbem Titel hatte mich und viele andere Menschen im September 2018 berührt. Weil es noch so viel mehr zu Klischees, Zeitmangel, Fürsorgearbeit, Arbeitsbedingungen, Paradoxien, Diskriminierung, Sex, Körper, Kunst, Finanzen und Überlastung, eben den Umständen, die zum Befinden moderner Mütter beitragen, zu erzählen gibt, können wir das Sach- und Taschenbuch lesen.

14 Kapitel, 256 Seiten und viele lesenswerte Gedanken

Wie fühlt sich Mutterschaft an? Sowohl der Buchumschlag als auch die Kapitel „Der Pullover“ zum Anfang und „Der Pullover 2“ zum Ende versinnbildlichen die Antwort.

Mutterschaft fühlt sich an wie ein kratziger, aber schöner Pullover, in dem geschwitzt wird. Der übergezogen wird. Dessen Form und Farbe von Anderen festgelegt und hergestellt wurde. Dessen Passform kommentiert und bewertet wird. Irgendwann, besser bald, gibt es nicht nur dieses eine pikende Model. Dann kann getragen werden, worin sich wohlgefühlt wird.

Vielleicht liegt es daran, dass Menschen zusammen leben wollen, sich damit auch nicht von Vorstellungen der Gemeinschaft frei machen können und Kinder dazuführen, dass wir bereiter sind zu tragen. Verantwortung, ein Lebensgefühl oder Kleidung. Aber muss ich mir überhaupt etwas überziehen?

Meine Muttergeschichte

Ich bin Mutter und mich beschäftigt das Gelesene. Und es erinnert mich an meine Mutter.

Sie hat viel gearbeitet. Ich war von 6 bis 18 Uhr in der Kita und später ein „Schlüsselkind“. Ihr Haushalt war immer akkurat. Mein Vater war meist abwesend. Das war aber auch besser so. Meine Mutter ist irgendwann mit mir geflüchtet. Sie konnte nicht mehr. Sie hatte Jahre lange funktionieren müssen. Und ich auch.

Meine Mutter hat bereut und bedauert. Nicht ihre Mutterschaft. Sondern die Art, wie sie gelebt hat. Sie hat mich geliebt. Sie konnte es nur lange Zeit weder zeigen noch sagen.

Erst hat sich unser Verhältnis durch die Geburt meiner Tochter geändert. Und schlussendlich konnte sie durch ihre Krebserkrankung einfach offen sein. Das Ende war absehbar. Sie nutzte ihre verbleibende Zeit.

Ich bin zurückgeblieben. Erschöpft von der Hospizzeit. Von der übermäßigen Anstrengung zwischen Care-Arbeit, Erwerbsarbeit und neuer Organisation. Geschieden. Mit zwei Kindern. Traurig. Aufgewühlt. Und dann kam die Corona-Krise. Und ich frage mich heute mehr den je: Was für eine Mutter will und kann ich sein?

Viele Probleme, Herausforderungen, Stolperfallen, Hürden und Gefühle von Müttern werden durch gesellschaftliche und politische Strukturen beeinflusst. Sollen aber im Privaten gelöst werden.

Ich überlebe. Ich habe im Moment keine Kraft mehr und keine Ressourcen, um mich anzustrengen und Veränderungen möglich zu machen.

Ich habe eine Ahnung, wie ich leben, wohnen und arbeiten möchte. Aber ich habe keinen Plan, wie das gehen soll. Und ich fühle mich nach der Lektüre besser. Weil es nicht ausschließlich meine eigene Unfähigkeit ist, die mich hindert. Es hat natürlich mit mir selbst zu tun. Aber positiv Denken und nur genug Wille reicht nicht.

Darum ist mein Lieblingssatz aus dem Buch:

„You can do it (wenn du dich nur richtig anstellst)“, gilt einfach nicht für alle.

Mit dem Gefühl des Unwohlseins und der Unzulänglichkeit bin ich nicht allein, mit dem Wunsch nach anderen Rahmenbedingungen auch nicht. Diese kämen übrigens nicht nur Müttern zugute.

Mein Fazit: Lest dieses Buch, denkt darüber nach und geht in den Austausch. Änderungen sind gemeinsam möglich. Oder, was denkst du?


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