Schule neu denken
Durch das Be- bzw. Abarbeiten der Schulaufgaben zu Hause, wird ein direkter Einblick in den Lehrstoff des Kindes und die Methodik der Schule ermöglicht. Mich lässt besonders Letzteres noch mehr am Schulsystem zweifeln und mein Wunsch „Schule neu denken“ wächst.
Schulaufgaben neu denken – oder auch nicht
Im Frühjahr 2020 gab es für meine Tochter Aufgaben für den Sach-, Kunst-, Mathe- und Deutschunterricht, die oft übergreifend waren und zum Beispiel im Wald bzw. Draußen gelöst werden sollten.
Stöcke mussten gesammelt und vermessen werden. Die Geräusche und Farben sollten in ihren Variationen wahrgenomme , notiert und gezählt werden. Es ging um Waldtiere und die Bodenschichten. Eine bestimmte Anzahl von Naturmaterialen sollte gesucht und vermerkt werden. Damit galt es dann ein Bild zu legen.
Großartig. Meine Kinder waren mit Eifer dabei und das Schulmädchen stolz auf ihre Ergebnisse, die sie dann fotografierte und ich mailte.
Sicher mussten wir uns erst einfinden in diese Art des Lernens, aber die Erfahrung wurde definitiv abgespeichert. Mittlerweile hat die Schule aufgerüstet und die warmen Jahreszeiten genutzt.
Es gibt nun Videos, in denen Aufgaben in Arbeitsheften und Büchern erklärt werden und Videokonferenzen. Es gibt Apps. Es gibt eine Lernplattform mit Wochenplan und die Verpflichtung Einreichungen hochzuladen. Die Aufgaben sind deutlich getrennter.
Es ist sicher gut, dass die Digitalisierung mehr oder weniger kein Problem darstellt(e). Für mein Empfinden war die improvisierte Variante jedoch lehrreicher, aktiver, nachhaltiger und spaßiger. Mit mehr kindlicher Motivation als jetzt.
Kinder wollen lernen.
Davon bin ich überzeugt. Doch
„Nicht alle Kinder lernen das Gleiche zur gleichen Zeit auf die gleiche Weise.“ Kathy Walker
Zudem greifen Bildungsbereiche ineinander über und eigenständige Tätigkeiten mit allen Sinnen sind für die Entwicklung und die Erweiterung von Fertigkeiten unabdingbar.
Was als Verständnis und Konsens in der frühkindlichen Praxis (aka den Kindergärten) bereits meistens angekommen ist und umgesetzt wird, findet beim schulischen Lernen deutlich weniger Beachtung.
Die Trennung der Fächer, wenig Bewegungsfreiheit, viel Papier, was sitzend bearbeitet wird, Lehrpläne und Noten sowie Erklärweisen und Inhalte, die sich nicht am Individuum orientieren, zeigen das.
Jetzt wäre die Chance, die altbekannten Methoden und Vorgänge zu verändern. Schule neu zu denken.
Mit meiner Tochter mach(t)e ich leider die Erfahrung, dass sich nichts ändert sondern nur in eine neue Form gebracht wird.
Was wird wie vermittelt?
Grundwissen wird in den ersten drei Grundschuljahren vermittelt. So jedenfalls meine Vorstellung.
Unabhängig von meiner Tochter frage ich mich: Was wird eigentlich wie in der Schule vermittelt?
Nur als Beispiel nehme ich das Thema Geometrie. Es bietet sich hervorragend an, um vom praktischen zum abstrakten Wissen zu gelangen.
Warum werden die Kinder nicht dazu aufgefordert einen Spiegel zu nehmen und sich damit Objekte, Formen und Strukturen (da wäre dann der Bezug zum Kunstunterricht ganz leicht) zu erleben?
Irgendwann würden sie Spiegelachsen entdecken. Davon bin ich überzeugt. Ihre Eindrücke könnten verschriftlicht (Deutschunterricht) werden und gesammlt. Der Bogen zum Sachunterricht und zum Rechnen wäre sicher ebenso möglich. Anschließend kann die Erfahrung meinetwegen auf dem Arbeitsblatt angewendet werden.
Was ich erlebe, ist ganz anders. Die Aufgabe lautet: Märksätze abschreiben. Linal und Bleistift nehmen. Arbeitsblatt bearbeiten. Als ich mein Kind fragte, was den nu eine Spiegelachse, eine Strecke und Gerade sei, zuckte sie nur mit den Schultern.
Und ich saß ratlos da. Das war es also? Was hat sie gelernt?
Ganzheitlicher und anders Lernen
Dass es einen Rahmen gibt, ist verständlich. Sogar nötig. Innerhalb dessen können doch und dennoch Aufgaben so konzipiert werden, dass Kinder kreativ werden müssen und können, Ideen entstehen und Lösungen für Fragestellungen gefunden werden. Sie sich ausprobieren können. Warum lernen Kinder in der Schule nicht, wie sie an Informationen kommen anstatt sie vorgesetzt zu bekommen?
Ein Anfang für Veränderung wäre es anders Fragen und Aufgaben zu stellen. Offener. Neugierig machend.
Wie: Stell dir vor, dass du von einem anderen Planeten kommst. Wie würdest du (was auch immer) beschreiben? Wieviele Möglichkeiten könnte es geben um Schnee/ Wasser zu transportieren? Zeichne sie. Nutze die Kästchen dafür und beschrifte. Warum werden nicht erst Ideen gesammelt bevor es Lösungen gibt? Im Moment ist doch eine super Gelegenheit das Erleben miteinzubeziehen. Sollen die Kinder doch Briefe schreiben. Texte lesen, die sie wirklich interessieren. Das können doch auch irgendwelche „Beyblade“-Regeln sein. Nicht zwangsläufig Bücher. Hauptsache sie lesen und verstehen.
Außerdem: Wenn eine Benotung aka vergleichbare Einschätzung sein muss, warum wird nicht auf individuellere „Werte“ zurückgegriffen? Engagiertheit und Motivation bei einzelnen thematischen Aufgaben. Das würde auch eine Tendenz für Interessen, Lernbereitschaft und Fähigkeiten offenbaren.
Die Wissenschaft bestätigt, dass wir effektiv lernen, wenn möglichst viele Sinne und beide Hirnhälften am Lernakt beteiligt sind. Intrinsische Motivation und Begeisterung sind dabei förderlich.
Wie kann das im Schulsystem berücksichtigt und umgesetzt werden? Wie können Konzepte verändert werden? Wie können Inhalte interessanter werden? Wie können individuelle Geschwindigkeiten, Interessen und Persönlichkeiten berücksichtigt werden? Was genau sollen Kinder den eigentlichen lernen? Und was braucht es, damit sie es können?
Ich habe keine pauschalen Antworten. Ich wünsche mir, dass Schule neu gedacht wird. Wenn ihr Ideen und Gedanken dazu habt, auch wo angesetzt und mitgewirkt werden kann, lasst es mich wissen.
Wie seht ihr das so?
Anne
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