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Scheidung und Stigma

Scheidung und Stigma

Von der Seele geschrieben: Scheidungstermin bei Gericht, neue Familienform und nachdenkliche Fragen über Stigmatisierung…

Das offizielle Eheende

Einlasskontrolle. Ladung des Gerichtes vorzeigen. Taschen entlehren. Durch den Detektor gehen. Arme ausbreiten. Saal suchen. Warten.

Dem Ehemann zu lächeln. Meine Anwältin begrüßen. Eintreten. Anwesenheit nachweisen. Ausweis einstecken. Zuhören. Erklärung abgeben. Zustimmen. 15 Minuten. Nur noch auf die Rechtskraft warten. Das war es. Wenige Tage vor dem neunten Hochzeitstag.

Den Saal verlassen. Bei der Anwältin bedanken. Verabschieden. Die Schultern straffen. Das Gebäude verlassen. Auf die Stufen setzen. Mit dem ehemaligen Herzmann besprechen, dass wir immer noch und trotzdem eine Familie sind. Gemeinsam an einem Strang ziehen. Kompromisse schließen werden. Einverständnis.

Und danach?

Wir gingen Kaffee trinken. Zeit Danke zu sagen. Für unzählige geteilte Momente. Erste Male. Schöne Augenblicke. Zwei Wunderkinder. Den gemeinsamen Weg. Für das stetige Bemühen ein neues Familienleben zu gestalten.

Auch wenn die Scheidung die richtige und logische Konsequenz war, fühlt es sich komisch an. Das Auseinandergehen bis zu diesem Schlusspunkt war ein langwieriger mitunter schmerzhafter Prozess.

Meine Familie ist nicht „gescheitert“.

Mit den Kindern war ein „Auf Nimmerwiedersehen“ nicht denkbar. Allerlei eigene Gefühle mussten und müssen verarbeitet werden und gleichzeitig, die der Kinder ausgehalten und begleitet. Es gibt Etliches zu lesen über die gravierenden und schwerwiegenden Folgen für Trennungskinder. Über ihr Leid. Ihre Belastung. Es macht Schuldgefühle.

Natürlich hinterlässt die Trennung bzw. Scheidung Spuren. Aber müssen sie zwangsläufig und ausschließlich einen negativen Effekt haben?

Eine neue Umgangsbasis, eine neue Perspektive, musste und muss aufgebaut werden. Keines der Kinder soll(te) sich schuldig und alleingelassen fühlen. Es soll(t)en keine Loyalitätskonflikte entstehen. Ein Kraftakt. Aber es wurde und wird immer besser. Partnerschaftlicher. Die Kinder haben Beziehungen zu ihren beiden Elternteilen.

Und so schwer es manchmal auch fällt, weil sich ein Gefühl von „jetzt ist aber auch irgendwann mal gut“ einstellt, wir besprechen trotzdem immer wieder den kindlichen Wunsch nach „Wiedervereinigung“. Erklären. Gestalten ein gemeinsames Familienleben.

Sehen sie ihre Ehe als gescheitert?, fragte die Richterin. Nun ließe sich über die Formulierung streiten. Gescheitert suggeriert Misserfolg. Dabei ist dieses Kapitel lediglich beendet. Das Beziehungen auch Wollen, Zeit und Pflege bedürfen, bestreite ich nicht. Aber den Leistungsprinzip-Gedanken finde ich unangebracht. Seis drum.

Feststeht: Meine Familie als solche ist nicht „gescheitert“. Nur verändert. Neu „zusammengesetzt“. Beziehungsgefüge bleiben bestehen. Die Kinder hören nicht plötzlich auf unsere Kinder zu sein. Die Art des Miteinander hat sich verändert. Familien definieren sich doch nicht nur über den Beziehungsstatus der Eltern. Oder?

geschiedene Singel-Mama und nun?

Was mich zu meinem nächsten Gedanken bringt. Sind nur Pärchen vollwertig? Haftet der geschiedenen Singel-Mutter ein gewisses Stigma an?

Bin ich jetzt für den Rest meines Lebens eine gescheiterte, selbstsüchtige und bedürftige Frau? Die maximal auf „Schadensbegrenzung“ hoffen kann, wenn sie eine neue Partnerschaft eingeht? Wobei der „Marktwert“ natürlich ordentlich gesunken ist.

Online-Dating ist übrigens gar nicht so lustig, wie gedacht und artet regelrecht in Arbeit aus. Wobei ich nicht mal auf der Suche nach der großen Liebe bin. Sondern nur nach Abwechslung von Mutter sein und Verantwortung tragen. Klar wünsche ich mir für die Zukunft einen Menschen an meiner Seite, aber aktuell bin ich gar nicht fähig und bereit in eine ernsthafte Beziehung zu investieren.

Und bin ich eigentlich als gescheiterte Frau auch noch eine schlechte Mutter? Rollenklischees sei Dank. Abgestraft mit Erschöpfung, Unvereinbarkeit und Altersarmut? So viel zu Gleichberechtigung.

Mir liegt das Wohlergehen meiner Kinder sehr am Herzen. Ich werde also auch trotz aller Mühen, Belastungen und Herausforderungen weiterhin mein möglichstes Tun. Nun durchatmen. Diesen Schlusspunkt sacken lassen. Abschied nehmen. Als Teil des Prozesses. Ein neues Kapitel aufschlagen und auf den Zauber des Neuanfangs hoffen.

Was wird die Zukunft wohl so bringen?

Anne


FamilienformScheidungScheidungskinderStigmaTrennung

Kommentare

  1. avatarJahresrückblick in Bildern via #30am30 - xmalanderssein.de

    […] geschieden […]

    1. avatarsechster Bloggeburtstag mit Gratulanten + Verlosung - x-mal anders sein

      […] nur, dass ich von einer schwangeren und verheirateten Frau mit Mann und Kind zur geschiedenen Singelmama mit zwei Kindern […]

      1. avatarMonatslieblinge - Rückblick auf den Juni 2020 - x-mal anders sein

        […] Die Scheidung ist durch und ich bin gespannt, was die Zukunft bringen wird. Wir werden aber sicher unsere Kreativität als Lebenskompetenz bewusst fördern und ausleben. Das steht fest. Den Rest zeigt die Zeit… Jetzt sind erstmal Sommerferien. Zumindest für die Kinder. […]

        1. avatarConny

          Hallo,
          Egal wie schwierig es ist, ihr werdet immer Eltern sein und solange ihr das hinbekommt und eine Familie seid, ist das großartig.
          Und jetzt hat jeder von euch die Möglichkeit auch persönlich glücklich zu werden, als Frau und Mann und nicht nur als Mutter und Vater.
          Ganz liebe Grüße und eine virtuelle Umarmung
          Conny