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Und übrigens bin ich keine Basteltante!

Und übrigens bin ich keine Basteltante!

Als Fachkraft für reggio-inspiriertes Lernen mit Schwerpunkt auf dem künstlerisch-kreativen Bereich arbeite ich in einer Kita. Ich bin keine Basteltante. Und an dieser Stelle wird das Private politisch. Weil es um die Anerkennung eines Berufes geht und das nicht nur im Zuge der Kita Krise in der Hauptstadt.

Vorneweg sei noch erwähnt, dass ich arbeiten kann, weil meine Kinder betreut werden und ich möchte, dass sie währenddessen eine gute Zeit verleben. Weil sie es Wert sind.

Zwar strebe ich einen Kitawechsel für meinen Sohn an, in eine, die meinen pädagogischen Vorstellungen mehr entspricht, es geht ihm jedoch nicht schlecht in der jetzigen Einrichtungen. Ich wünsche mir einfach mehr Kreativität und weniger Beller Tabelle. Doch ein Wunschkonzert ist die Kitaplatzsuche schon lange nicht mehr.

Schule und Kita sind die Orte der Kinder.

Meine Aufgaben sind Handreichungen. Ich schmiere eben Brote, achte auf Lernmaterialien, bringe Wechselwäsche, lese Informationen, beherzige sie, biete hier und da meine Hilfe an. Doch im Wesentlichen verweile ich eine halbe Stunde am Tag an diesen Orten. Bringe. Hole. Ich muss Vertrauen haben. Wie viele andere auch. Vielerorts bei Krankheitsausfällen, unbesetzten Stellen und Personslwechsel gar nicht so einfach.

als Fachkraft

Wenn ich mich dann auf zu meiner Kita mache, wandelt sich die Situation. Früher betrat ich meinen Gruppenraum und empfing Kinder, die ich begleitete und unterstützte.

Heute bereite ich die „Kunst-Ecke“ in der Wunderwerkstatt vor, lade Kinder aus den Gruppen ein, verfolge ein Projekt. Die letzen Aktionen entstanden aus dem Oberthema: „Blau ist nicht gleich Blau“. Ein Wimmelwerk. Ein Museumsbesuch. Mit dem Facettenreichtum der Farbe wurde gespielt. Momentan geht es um Papier, dessen Herstellung, Saugfähigkeit und Kleister.

Gemeinsam gestalten wir unsere Zeit, legen Regeln fest (Pinsel müssen zum Beispiel anschließend gereinigt werden) und nutzen unsere Möglichkeiten. Wir haben eine tolle Wandverkleidung, sodass im Stehen gemalt wird, und keine Resultatpflicht, sodass wir auch einfach Farbe an die Wand werfen können. Der Effekt und die Bewegung ist großartig. Und es ist egal, wie das Papier am Ende aussieht.

Beobachten und Dokumentieren gehört immer noch als wichtiger Teil zu meinen Aufgaben. So bekommen alle einen Eindruck, warum, wie und was passiert ist. Das ist mir wichtig, weil ich das „Zaungast“-Gefühl als Mutter kenne. Mein Sohn jedenfalls erzählt nichts vom Kindergarten.

Basteltante – WTF?

Ja, ich bastel gerne. Auch Zuhause mit meinen Kindern. Aber ich bin keine Basteltante. Das ist eine abfällige Aussage und falsch. Mal abgesehen davon, dass ich qualifiziert bin, stört mich am Meisten, dass diese Denke das Berufsbild sowie die Tätigkeit der Kinder herabwürdigt.

Bei selbsttätigen und schöpferischen Vorgängen werden Kompetenzen verfeinert, Ideen entwickelt, Lösungen gefunden, eine Vorstellung von Ästhetik, Symmetrie, Mathematik&Physik, Wirklichkeit und Fantasie gewonnen, dabei werden Gespräche geführt, da wird kooperiert, Hilfe erfragt und angenommen und der eigenen Mut sich auszudrücken wird gestärkt.

Wenn kreatives Potenzial bei Kindern erblüht, trainieren sie ihre Auge-Hand-Koordination, die Muskulatur, ihre Fingerfertigkeit. Sie lernen Formen und Muster ihrer Umgebung kennen – nehmen wahr – speichern sinnliche Erfahrungen und schärfen ihre Empfindungen. Was in Stellenausschreibungen gewünscht wird, wie Problemsensitivität, Originalität, Flexibilität, Ausdrucksfähigkeit, Assoziationsfähigkeit und Fantasie, können Kinder bei künstlerisch-kreativen Akten ungezwungen leben und festigen.

Und bei selbstbestimmtem Basteln (also nicht schablonenvorgefertigte Gleichmacherei) geht es natürlich um händische Geschick, den bedachten Umgang mit Werkzeugen (z.B. Schere und Kleber) und Materialien und Konzentration.

Die Tätigkeit „Basteln“ und künstlerisch-kreative Aktionen an sich sind schon nicht profan. Nichts was abgetan und belächelt werden könnte. Es steckt viel mehr dahinter. Und es steckt Arbeit in der Vor- und Nachbereitung dessen. Materialsuche, Impulssetzung und Gestaltung der Umgebung in Beachtung kindlicher Entwicklung, Begleitung der Aktion, Zuhören, Unterstützung, Verdeutlichung der Aktion für Außenstehende und Dokumentation für das Kind zum Beispiel zählt dazu. Dreiteilige sehr unterschiedlich geartete Arbeit, die von mir als Fachkraft geleistet wird. Und nicht von einer Tante.

Wie kann sich das Miteinander gestalten?

Zubeginn sollten wir uns von dem Klischee „Basteltante“ verabschieden und anerkennen, dass Kinder im Kindergarten tätig sind, selbst wenn sie „nur“ spielen. Sie lernen dann mit Freude. Genauso wie Mitarbeitende die frühkindliche Bildung unterstützen und prägen.

Und alle Akteure also Eltern und Mitarbeitende sind für die Gestaltung des Miteinander verantwortlich.

Im Miteinander existieren Regel. Das ist unabdingbar. Die Vorschriften gestalten den Umgang, geben Ordnung und Struktur, sollen erleichtern oder vor Gefährdung schützen. Nicht immer leuchten sie allen ein.

Doch es zeugt von Respekt für die handelnden Menschen, wenn sich die Erwachsenen in den Einrichtungen an Regeln und Informationen halten – auch wenn sie unverständlich wirken. Aber vielleicht zählt das Wort einer Basteltante nicht so viel wie das einer faier bezahlten Erzieherin?

Für Eltern jedenfalls steht das eigene Kind/ stehen die eigenen Kinder an erster Stelle. Das muss so sein. Doch sie müssen in ihr Bewusstsein aufnehmen, dass ein Kind bei Tageseltern, in Kita und Schule Teil der Gemeinschaft ist. Dass kranke Kinder Zuhause bleiben müssen, weil es ihnen dort besser geht und andere Menschen so nicht angesteckt werden.

Das Fehlen von Pädagogen/Pädagoginnen – ob aus Krankheit oder durch den allgemeinen Fachkräftemangel – ist merkbar. Oder?

Die Mitarbeitenden in kinderbetreuenden Einrichtungen produzieren nicht. Es wird ein Mehrwert und eine Zukunftsperspektive „erarbeitet“. Ich wünsche mir mehr Bewusstsein für die Tätigkeit der Kinder und meine eigene.

Jedem Erwachsenen sollte klar sein, dass wir in Kindergärten Menschen und nicht Maschinen begegnen. Dass wir MITEINANDER agieren (sollten). Dass unser gemeinsames Ziel wundervolle Erwachsene sind, die mitfühlend, kreativ sowie bedacht handeln und selbstständig sind und nachdenken. Fachkräfte von Morgen. Das sind Kinder.

Eigentlich sollte die Investition in die frühe Bildung, das Engagement für eine gute Betreuung während Eltern ihrer Arbeit nachgehen (können) sowie ein förderliches Miteinander von der Gesellschaft und Politik gewollt sein.

Weil wir es Wert sind

Seit fast einem Jahr engagieren sich die großartigen Frauen und auch Männer der Initiative „Kita Krise Berlin“.

Da finden Planungstreffen statt, am Sonntag, bei denen Kinder spielen, gestillt werden und die Aufmerksamkeit der Mütter teilen müssen. Informationen werden ausgetauscht, Pläne geschmiedet. Da stehen Laptops neben Kuchentellern auf dem Tisch. Da werden Aufgaben koordiniert.

Unermüdlich geht es um das öffentliche Bewusstsein für die Not von Eltern bei der Betreuungsplatzsuche, die Bedeutung von Familien, Chancengleichheit und die Qualität in der frühen Bildung. Da werden Faktoren wie steigene Mieten, Kinderarmut und Diversität besprochen und ihre Einflüsse eruiert, einbezogen und da werden ganz klar die Versäumnisse der Politik benannt.

Jetzt für die beginnenden Tarifverhandlungen wird sich vernetzt mit den Gewerkschaften (die auch finden, dass wir es Wert sind). Es wird überlegt wie Solidarität mit Fachkräften transparent und deutlich gezeigt werden kann. Forderungen und Ansichten hier nachlesen.

Die großartigen Frauen leisten Lobbyarbeit. Und nochmal in aller Deutlichkeit: Mediale und allgemeine öffentliche Präsenz, das erheben der Stimme, das „zum Thema machen“ kostet Zeit und bedeutet Arbeit. Und sie rocken das ehrenamtlich.

Für und als Eltern, für die Fachkräfte, für die Kinder und für die bitternötige Verbesserung und Anerkennung der Lage. Weil wir es als Familien und als Mitarbeitende in familienergänzenden Einrichtungen Wert sind.

Wir brauchen familienergänzende Kinderbetreuung, gute Bedingungen vor Ort, Geld und Anerkennung. Keine abschätzigen Klischees. Keine Basteltanten sondern Fachkräfte, die für ihre Arbeit angemessen entlohnt werden. Wir brauchen keine Schönrederei der ernsten Situation.

Das „Gute-Kita-Gesetz“ ist nur mäßig gut. Immerhin gibt es bis 2022 rund 5,5 Millarden, die entweder in die Beitragssenkung bzw. Beitragsfreiheit oder in die Qualität investiert werden können. Ohne Fachkräfte könnte die gewünschte Wirkung jedoch gänzlich verpuffen. Da ist eine spührbare Lohnerhöhung Teil einer simplen Rechnung. Mehr Gehalt plus bessere Rahmenbedingungen macht das Arbeiten für Tageseltern und Erzieher_innen lukrativer, sodass es mehr Qualität und zu vergebende Betreuungsplätze geben würde. Gleichzeitig hätte es eine Signalwirkung für die Wertigkeit des Berufes.

Was sind der Politik (bzw. dem Finanzsenator) unsere Kinder Wert? Welchen Stellenwert haben Familien in unserer Gesellschaft? Braucht es keine Eltern auf dem Arbeitsmarkt? Welche Bedeutung haben soziale Berufe? Und welche Meinung haben wir über die Menschen, die Kinder betreuen?

Angemessene Bezahlung – nicht für Basteltanten – sondern Fachkräfte! Der Dominoeffekt wäre beachtlich.

Anne


Das Private ist politischErzieherinfrühe BildungKindergartenKitakriseMutter

Kommentare

  1. avatarJahresrückblick 2019 - Hallo neue Chancen - xmalanderssein

    […] macht mich fertig. Tür an Tür zu wohnen, scheint uns nicht vergönnt. Beruflich. Ich bin keine Basteltante. Kreativ-künstlerische Aktivitäten sind kompetenzfördernd. Die Bildung und Betreuung außerhalb […]

    1. avatarKitastreik - Gute Bildung gibt es nicht umsonst! - x-mal anders sein

      […] können. Keine Wahl haben. Erzieherinnen, deren Arbeit als lapidar abgestempelt wird (Stichwort: Basteltanten). Mütter wie mich, die in Teilzeit einer wenig anerkannten Tätigkeit nachgehen und gering […]