Denkmomente mit Vorstellungskraft
Phantasie und Wirklichkeit
Wollen wir nicht alle manchmal in einem Buch versinken? In einem grandiosen Bild verschwinden? Mit der Musik davon schweben? Wünschen wir uns nicht alle manchmal, dass eine bestimmte Szene aus unserem Kopf real wird? Nicht umsonst gibt es unzählige Märchen, Geschichten, in denen Menschen fliegen können, oder Filme, in denen am Ende ein (Liebes-) Happy End gezeigt wird.
Wir als Erwachsene wünschen uns das. Kinder können und tun es.
Darum sollten wir sie beneiden. Sie lassen den Vorstellungen in ihrem Kopf freien Lauf. Da wird aus meiner Krümelie eine Mathilda. Da werden Geschichten erzählt. Da wird die Puppe Bara zum Baby. Da werden Liedtexte erfunden. Da wird der Stein zum Piratenschatz, der Stock zum Löffel und der Sand zur Suppe. Da kommt ein Gespenst und macht Buuh.
Ich könnte unzählige Beispiele anführen. Und ich liebe es, dass soviele Ideen in Krümelie stecken.
Wir
lesen mit Begeisterung. Ich mag dieses Rascheln beim Umblättern und den
konzentrierten Ausdruck in Krümelies Gesicht, wenn sie jedes Wort der
Geschichte aufsaugt und bald den Text mitsprechen kann und sich
Gedanken darüber macht. Mittlerweile nimmt sie verschiedene Rollen ein
und stellt Erzählungen nach. Mit der Hand an der Stirn, den Rücken
gebeugt und die Augen auf den Boden geheftet, ist sie eine
Sachensucherin wie Pippi Langstrumpf. Dann spricht sie als Annika und
Thomas und wundert sich, was im Baumstumpf zu finden ist.
Jeden Tag prasseln Tausende von Sinneseindrücken auf uns ein. Wir sehen, hören, riechen, schmecken, fühlen. Selbst, wenn ein Teil davon nicht in unserem Repertoire vorhanden ist, also Sehen oder Hören oder, oder, oder nicht möglich ist, bleibt noch eine ganze Menge an Informationen, die das Gehirn wahrnehmen, einordnen und verarbeiten muss. Jeden Tag. Ständig.
Je Älter wir werden, desto routinierter kann der Kopf das. Mit 3 Jahren aber sind die Bahnen noch nicht dogmatisch festgelegt. Selbst das Träumen (ob tags oder nachts) ist noch nicht so stark von vorgefertigten Bildern (aus Filmen) beeinflusst. Die Phantasie kann noch in Strömen fließen, keine Kanäle begrenzen sie. Vorstellungskraft und kreative Taten gehen Hand in Hand und lassen (imaginäres) wunderbares entstehen. Manchmal können wir das sehen, wie hier beim „strahlender Papa“- Kunstwerk (Krümelies zweiter Kopffüßler) oder wir hören es, wie hier beim Erdbeermonolog.
Krümelies Phantasie ist ein Schatz. Ich denke, er hat jedoch auch eine Schattenseite. die dunkle Seite der Macht sozusagen. Schreiend in der Nacht aufwachen, nicht mit dem Fahrstuhlfahren wollen (wir wohnen im achten Stock mit zwei Kindern) und besonders „ich will nicht zum Arzt“-Geschrei gehört dazu. Manche Ängste sind nur zeitweise – Fahrstuhlfahren ist wieder machbar -, manche scheinbar entwicklungsbedingt – das berühmte Monster unter dem Bett – und manche kann ich wirklich nachvollziehen. Besonders den Unwillen gepart mit dieser ängstlichen Zurückhaltung beim Arzt kann ich durch unangenehme und viele Besuche verstehen. Welchen Einfluss haben Geschichten? Welchen die Vorstellungskraft? Ich frage mich, was Krümelie sich vorstellt, was mit dem Fahrstuhl oder uns passieren könnte? Wie verschmelzen Wirklich- und Möglichkeit in ihren Gedanken? Welche Erfahrungen mit medizinischem Personal verschmelzen mit Phantasie?
Was ist zu tun?
Bei all diesen Dingen überlege ich mir, was ist zu tun bzw. was kann ich tun? Im Einzelnen kommt es immer auf die Situation an. Allgemein aber halte ich fest:
Erdachtes und kreativ Hervorgebrachtes und Ängste müssen bemerkt werden. Eine laut, dichtende, singende Krümelie will gehört werden. Das tue ich dann. Bei Spielen muss mitgemacht werden. (Geht nicht immer schon klar.) Dann spiele ich und vertreibe böse Wölfe, schimpfe mit der Puppe Bara, wenn sie spielt statt zu schlafen, klatsche als Zuschauer, wenn Krümelie sich verbeugt am Ende des Theaterstückes. Das Zauberwort bei all dem lautet „Ernst“. Die meisten Geschichten müssen nicht so Ernst genommen werden. Der Spaß am Ausdenken und Ausleben steht im Vordergrund. Und manchmal verbinden sich eben Wirklichkeit und Vorstellungskraft. Hat Krümelie jedoch Angst, ob für mich verständlich oder nicht, bin ich für sie da und nehme sie ernst.
Wenn Erwachsene die Grenze ziehen…
„Hast du schon ‚Guten Tag‘ gesagt?“, wird Krümelie gefragt. „Ja!“, antwortete sie voller Inbrunst. Ein Erwachsener guckt angespannt. „Nein, hast du nicht. Du lügst.“, entgegnet er.
So in etwa gestaltete sich schon das ein oder andere Gespräch. Wenn man es den überhaupt Gespräch nennen möchte. Kurze Frage, kurze Antwort, böswillige Lüge.
Lügen – was ist eigentlich? Ich erzähle jeemandem etwas, was so nicht ist oder war, um ihn zu täuschen und für mich einen Vorteil zu erreichen. Grob ist das mein Verständnis von Unwahrheitenerzählen. Da frage ich mich, warum lügt Krümelie, bitte? Ich kann keine böswillige Handlung erkennen. Vielmehr sollten wir uns über die Frage-Kultur Gedanken machen. Krümelie hat erst zwei Tage zuvor ‚Guten Tag‘ gesagt. Mir ist es auch wichtig, dass sie grüßt. Aber die, für den Erwachsenen, falsche Antwort steht in keinem Verhältnis dazu. Wie schwer wiegt das Vergehen? Ich frage mich, in welchem Alter „Unwahrheitensagen“ anfängt?
Liebe Leute, mein Kind mit ihren 3 Jahren erzählt Geschichten. Es kann sein, dass Ereignisse „durcheinander“ geraten. Es kann sein, dass Wirklichkeit und Phantasie verschmelzen. Es kann sein, dass sie diese Diskrepanz erkennen. Dennoch lügt sie nicht. Sie tut das nicht, um sie zu täuschen. Sie will sie nicht bevorteilen. Sie ist 3 Jahre alt und kann noch ihren Gedanken nachgehen.
Sie kann träumen. Sie kann sein, was sie möchte, ob Bäckerin, Tierparkbesucherin oder was auch immer. Und auch Gegenstände können zweckentfremdet werden.
Haben wir wirklich alle vergessen, dass aus einem Stock ein Schwert werden kann? Oder ein Löffel? Bei Sandkuchen loben doch auch fast alle Erwachsenen die Künste ihrer Kinder. Warum schreit da keiner: „Du lügst. Das ist Sand.“?
Zeig deine Kunst! kreative Prozesse im Kindergarten und Umsetzungsideen -x-mal anders sein
[…] Die kindliche Phantasie, ihre Weltsicht und somit ihre Ausdrücke werden beeinflusst. Warum dann nicht so? […]
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