Es reicht für uns alle – Stoppt Kinderarmut 2020
„Mama, sind wir arm?“. Fragte mich meine Tochter nicht zum ersten Mal. Dieses Mal hatte sich ein Kind (erschreckenderweise) über sie lustig gemacht, weil wir kein Auto haben.
Nein, wir sind nicht arm. Nur von Armut bedroht. Über meine Rente denke ich nach der Scheidung gar nicht mehr nach.
In meinem Gesicht zeichnet sich mittlerweile eine tiefe Sorgenfalte ab.
Auf meinen Schulter lastet die Verantwortung für zwei Kinder. Trotz der Tatsache, dass der Vater der Kinder und ich gemeinsames Sorgerecht + ein insgesamt gutes Verhältnis haben.
Bei vielen Entscheidungen muss ich abwägen, was machbar ist, womit ich leben oder worauf ich verzichten kann. Doch gemeinsam sind wir stark und unsere Beziehung ist reich.
Ich bin gezwungen mich für Entweder-Oder zu entscheiden.
Ich entscheide mich gerne für die Bildungs- und Freizeitangebote, unsere emotionale Gesundheit und guten Kaffee. 🙂 Dafür verzichte ich auf eine neue Wohnung (im Übrigen eine kleinere, die bis zu 400€ mehr kosten würde), da ich sonst mehr arbeiten + leisten müsste. Mit 20 Stunden und der wenig anerkannten Carearbeit bin ich jedoch schon ausgelastet. Zum Schutz vor Überforderung oder Burnout entscheide ich. Damit mangelt es mir nicht an Kompetenz. Sondern nur an Möglichkeiten.
Es stört uns nicht, dass wir kein Auto haben. Fakt ist dennoch, dass es ein Statussymbol ist, was ich mir nicht leiste, weil mir andere Dinge wichtiger sind.
Was mich wirklich bekümmert ist, dass ich keine neue Ausbildung finanziert bekomme. Die bestehenden stattlichen Unterstützungsmöglichkeiten greifen nicht. Spätestens an dieser Stelle spühre ich ein strukturelles Problem. Wäre ich noch verheiratet, könnte ich mich familienversicheren. So müsste ich meine Krankenversicherung selbst zahlen. Wohngeld zum Beispiel bekäme ich nicht, weil ich kein Einkommen hätte. Und so geht es weiter. Keine Lösung für mein Problem. Ich spare jetzt, wo es geht.
Die Kinder und ich – wir sind eine Familie. Eine von vielen.
Ich verstehe einfach nicht, warum keine kindorientierte Familienpolitik gestaltet wird…
Warum werden Kinder mit ihren Rechten und diversen Familienformen nicht als Ausgangspunkt für politische Entscheidungen anerkannt?
Ich komm jetzt nicht mit statistischen Werten zu Kinderarmut. Könnt ihr hier nachlesen. Die Auswirkungen von knurrenden Mägen im Unterricht bishin zu Scham und überlasteten Familien sind vielfältig mit genauso vielen Gesichtern und Geschichten.
Es gäbe jedoch genügend Auswegmöglichkeiten.
Bedarfsgerechte Kindergrundsicherung oder ein neues Konzept zur Existenzsicherung, das Voranbringen von Inklusion, Betreuungsmöglichkeiten mit ausreichend Personal, bezahlbaren Wohnraum, Veränderung des Steuersystems, barrierefreie und zugängliche Informationen zu zum Beispiel interkulturellen Themen, Bewegung, Ernährung, kostenfreie Nachhilfe, verfügbare technische Geräte, oder die gesicherte finanzielle Unterstützung von Freizeit- und Bildungsangeboten.
Von Letzterem gibt es schon Tolle wie die kostenfreien Workshops der blu:boks Berlin, welche um ihren Fortbestand kämpfen müssen, da der Kinder und Jugendbereich durch Spenden finanziert wird.
Kinderrechte gehören ins Grundgesetz. Kinder spielen. Das muss erstmal gar kein Geld kosten, aber es braucht auch Orte, wo sie sich frei und geschützt bewegen können. Raum für sie. Es braucht Angebote für Jugendliche, damit sie sich als Teil der Gesellschaft wahrnehmen. Und wenn das Familienleben von Sorgen, Rechnereien, Unzufriedenheit und Not geprägt ist, wirkt sich das auf die Entwicklung der jungen Menschen aus und sie brauchen vielleicht Unterstützung durch Dritte.
Warum wird von der Politik nicht genug unternommen? Es reicht doch für uns alle. Gelder sind vorhanden. Sie müssen nur anders verteilt werden. Wir sollten nur noch über das Wie und nicht mehr das Ob diskutieren.
Wie seht ihr das? Was erlebt ihr?
Anne
Monatslieblinge September 2020 - x-mal anders sein
[…] frühkindlicher Bildung, Kinderarmut und Kinderrechten habe ich mich beschäftigt und vielen tollen […]