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Der Zahlenzeitapparat

Der Zahlenzeitapparat

Zahlen braucht die Zeit

Felix träumt, wie er auf dem Mond aus seiner roten Rakete steigt, als ihn seine Mama weckt. Er möchte lieber noch weiterschlafen. Doch das geht nicht. Es ist Zeit.

Müde sitzt Felix am Frühstückstisch. „Vergiss das Essen nicht.“, sagt seine Mama. Sie packt schon seine Kindergartensachen zusammen. Es soll losgehen.

Im Kindergarten vergeht die Zeit wie im Flug. Schnell ist es Nachmittag und Felix wird von seiner Mama abgeholt. Sie laufen durch die Straßen. „Erledigungen machen.“, hatte seine Mama gesagt.

Vor einem Hauseingang stehen zwei Kartons mit dem Vermerk „zu verschenken“. Sie halten an und schauen neugierig hinein.

Ein bunter und schon älterer Fotoapparat liegt in einem der Kartons. Obwohl er defekt zu sein scheint, nimmt Felix ihn an sich. Seine Mama hat nichts dagegen.

In der großen Stadt gibt es viel zu sehen und viel, was fotografiert werden kann. Felix sieht einen Bagger, ein Kreuz auf einem Stein, eine Taube, einen gelben Löwenzahn. Er richtet seinen neuen Fotoapparat darauf und drückt auf den Auslöser. Über seine Lippen kommt ein „Klick“.

An der Straße biegt ein Doppelstockbus um die Ecke. Die mag Felix sehr. Er schaut durch das kleine Loch am Fotoapparat, sieht genau, dass es ein Bus 245 ist, der zum Bahnhof fährt, und drückt den Auslöser. Der Apparat beginnt zu summen. Über seine Lippen kommt kein „Klick“. Erschrocken hält Felix das Ding von sich weg und entdeckt die Zahl 245 in der Anzeige.

Er richtet den Apparat auf seine Füße und klickt. Nichts geschieht. Er sieht sich um, richtet das Ding zum Himmel und klickt. Nichts geschieht. Dann hält Felix den Apparat auf das parkende Auto mit dem Kennzeichen Z TJ 2023 am Straßenrand und knipst. Es summt.

2268 steht da, wo kurz zuvor die 245 war.

Felix stutzt. Sollte das Summen von den Zahlen kommen?, überlegt er. Voller Eifer sucht er weitere Zahlen und knippst Hausnummern, Kennzeichen, Uhren und natürlich Busse. Jedes Mal summt der Apparat als würde er applaudieren.

„Wir sollten uns beeilen. Der Bus kommt gleich.“, sagt seine Mama. Felix hat keine Lust sich zu beeilen. Er will weiter nach Zahlen Ausschau halten und sie einfangen. Die Zahl in der Anzeige hatte sich einige Male bewegt. Jetzt ist da ein Blitz zu sehen.

Felix dreht den Apparat in seinen Händen, drückt den Auslöser und es rattert.

„Oh, der Bus hat Verspätung. Wir können uns Zeit lassen.“, sagt seine Mama plötzlich. Also lassen sie sich Zeit. Felix hüpft von Steinplatte zu Steinplatte. Der Fotoapparat hüpft mit.

Zu Hause angekommen untersucht Felix sein Fundstück und versucht es zu öffnen, was nicht geht. Fasziniert betrachtet er den Blitz in der Anzeige, als seine Mama „Schlafenszeit!“ ruft. Felix hat keine Lust ins Bett zu gehen. Er will lieber noch eine Geschichte vorgelesen bekommen. Doch es ist spät.

Felix hält den Fotoapparat, dreht ihn in den Händen. Energisch drückt er auf den Auslöser. Es rattert. Dann kommt seine Mama, streichelt ihm über den Kopf, lächelt und sagt: „Wir haben noch Zeit für ein Buch.“.

Felix kuschelt sich an sie, lauscht ihren Worten und hält den Fotoapparat ganz fest. Es ist ein Zahlenzeitapparat, denkt er. Morgen wird er mit ihm wieder Zahlen einfangen und in Zeit verwandeln. Das nimmt er sich ganz fest vor.

Geschichtenzeit für meinen Sohn

Ich habe diese Geschichte für meinen Sohn formuliert. Die Grundidee war schon viel früher da und wurde vor Jahren vom Tochterkind inspiriert. Jetzt nahm sie gestalt an. Oft hole ich den Sohnemann aus organisatorischen Gründen zuerst ab und er muss dann mit mir in der Tram zur Schule seiner Schwester fahren. Und zurück. Das findet er meist nicht so toll. Mit dieser Geschichte wird der Weg spannender, vergeht die Zeit schneller. Sie ist nur für ihn. Wir spielen sowieso oft „Ich sehe eine Zahl, die du nicht siehst.“, zählen Fahrzeuge und rechnen sie zusammen. Nun gibt es neuen Input. Er hält Ausschau nach Zahlen und wer weiß, welchen Einfluss er auf die Zeit hat… 

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